Der Problemlösende Stil (auch gamistischer Stil, Gamismus, würfel- oder regelbetonter Stil): Dieser Stil kommt den historischen Wurzeln des Tischrollenspiels am nächsten. Sein Schwerpunkt liegt im Überwinden von Herausforderungen, und zwar durch geschicktes Taktieren sowohl im Spiel wie auch während der Charaktererschaffung. Rollenspiel ist damit eine Variante des herkömmlichen Gesellschaftsspiels, nur dass (in der Regel) nicht gegeneinander gespielt wird, sondern gegen Widerstände, die den Spielern vom Spielleiter in den Weg gestellt werden. Bei der Auswahl des eigenen Helden geht es in erster Linie um maximale Effektivität (im kämpferischen, magischen oder anderen Bereich), denn je besser der Held, desto besser seine Möglichkeiten, Herausforderungen zu überwinden. Viele Anhänger dieses Stils durchforsten Regeln nach (beabsichtigten oder unbeabsichtigten) Lücken und Kombinationen, die dem Charakter im Spiel eine maximale Durchschlagskraft ermöglichen. Ein typisches Beispiel für den problemlösenden Stil ist der Spieler, der nicht deswegen einen Zwerg als Charakter wählt, weil er einen brummigen und biersaufenden Sturkopf darstellen möchte, sonder um Zuschläge auf Körperkraft und Konstitution zu erhalten, oder einen Rondra-Geweihten, um neben tollen Kampffertigkeiten auch noch Wunder wirken zu können.
Der simulationistische Stil (auch Simulationismus oder realistischer Stil): Beim Simulationismus steht das Funktionieren der Welt, die innere Logik im Vordergrund, Alles, was geschieht, muss einen Grund haben und Folgen nach sich ziehen. Dementsprechend wird sehr genau darauf geachtet, wie viel Gepäck ein Held tragen kann, ob es zu einer bestimmten Jahreszeit überhaupt ein bestimmtes Obst oder Gemüse auf dem Speiseplan geben kann und ob es denkbar ist, dass der Goblinstamm wirklich in dieser lebensfeindlichen Umgebung hausen würde, in der die Helden ihnen begegnen. Im Zentrum des Spiels steht eine lebendige und stimmige Welt, die auch funktioniert, wenn gerade keine Helden in ihr unterwegs sind, und die durch Heldenaktionen merklich verändert werden kann.
Der erzählerische Stil (auch Narrativismus, narrativistischer oder dramatischer Stil): Hier dreht sich das Rollenspiel um die persönliche Entwicklung der einzelnen Figuren oder aber allgemein um den Fortgang einer interessanten Geschichte, in die die Helden involviert sind. Narrativisten können problemlos lange Zeit ohne irgendwelche Würfelwürfe oder auch völlig ohne Regeln auskommen, dafür geniessen sie es, die Beweggründe und Macken ihres Charakters auszuspielen. Dramatische Szenen, die ans Herz gehen, sind wichtiger als die Anzahl der erschlagenen Gegner. Anhänger dieses Stils wählen zum Beispiel Charaktere, die auf den ersten Blick wenig zu bieten haben (zum Beispiel einen einfachen Handwerker), weil es ihnen nicht um hohe Werte geht, sondern darum, einen interessanten Menschen zu spielen, der aus irgendwelchen Gründen in Abenteuer verwickelt wird und sich dabei erst zu einem Helden entwickelt.
Die drei Stile im Beispiel Stellen Sie sich eine Heldengruppe vor, die tief in ein Höhlensystem vorgedrungen ist und dort plötzlich einem Oger gegenüberstehen. Der Problemlöser überlegt, welche Werte und Schwächen ein solcher Oger hat, und legt sich die beste Kampfstrategie zurecht. Der Simulationist fragt sich, was diese Kreatur wohl hier unten macht, wovon sie lebt und warum sie nicht nachschauen gekommen ist, als sich die Helden in der Nachbarhöhle lautstark mit einer Goblinbande geprügelt haben. Der Erzähler hingegen macht sich klar, dass sein Held noch nie einem solchen riesigen Menschenfresser gegenüber stand, und lässt ihn deswegen schreiend davonrennen, statt den anderen Helden im Kampf gegen das Ungetüm beizustehen. Wenn diese drei Spieler in einer Runde vereint sind, fühlt sich der Regelspieler möglicherweise von den anderen beiden im Stich gelassen, weil dieser Gegner nur gemeinsam bezwungen werden kann. Der Simulationist ärgert sich über die inkonsistente und unglaubwürdige Welt, die der Spielleiter ihm präsentiert, während der Erzähler enttäuscht ist, dass niemand sein überzeugendes Charakterspiel würdigt. Und im schlimmsten Fall wirft jeder den anderen schlechtes Rollenspiel vor, weil sie ja „keine Ahnung von gutem Rollenspiel“ haben.
Thema drucken
12.04.2011 20:45
Antworten
