Barnabas Bertenschlag » Barnabas Geschichte

Es war dunkel in der Schreibstube. Das mächtige Schreibpult dominierte den ganzen Raum. Der langhalsige Kerzenständer tauchte die Gestalt hinter dem Möbelstück in ein schummriges Licht.

Er spürte wie sich die Augen Ruanes von Elenvina in sein Innerstes bohrten. Die Spektabilität der Akademie der Herrschaft zu Elenvina war keine Frohnatur. Nie hatte er die Magierin lächeln sehen. Und genau wie sie war die ganze Akademie. Die Magister, die Eleven, ja selbst die alten Gemäuer liessen ihn die Strenge spüren die hier herrschte. Er wusste dass die Praios-Kirche ein sehr wachsames Auge auf dem Institut ruhen liess. Vermutlich musste Ruane tagtäglich für die Rechtfertigung ihrer Schule kämpfen. Und er machte ihr diesen Kampf sicher nicht leichter.

„Barnabas“ sagte sie mit schneidiger Stimme, die den jungen Magier zusammenzucken lies.

„Dieses Mal seid ihr zu weit gegangen“ sie legte eine Pause ein während sie eine Notiz, die vor ihr auf dem Pult lag, las.

„Was mir aus der ‚Nachtklause‘ zugetragen wurde ist unerhört. Wider jegliche Vernunft habt ihr euch dort aufgeführt. Der Codex Albyricus behandelt diese Thematik eingehend und ich bin mir sicher, dass ihr den Wortlaut kennt“ Barnabas konnte die hervortretende Ader auf Ruanes Stirn sehen. Das war kein gutes Zeichen.

„Meine Geduld hat nun hier ein Ende. Und so wie meine Geduld hat auch euer Aufenthalt an diesem Institut ein Ende, Barnabas Bertenschlag.“

Barnabas glaubte sich verhört zu haben.
„Eure Spektabilität, ihr meint doch nicht…“ beginnt Barnabas unsicher.

„Ich meine nicht, ich habe beschlossen. Ihr habt eure Examinatio vor einem Mond abgeschlossen und ich sehe unter den bekannten Circumstanzien keine Möglichkeit euch an der Akademie länger zu dulden. Ihr werdet euch morgen im Scriptorium bei Andrello ya Narro abmelden und die Schule verlassen.“

Damit hatte er nicht gerechnet.

Mühsam hiefte er den schweren Rucksack auf das Bettlager. Er war praktisch voll und noch immer gab es verschiedene Utensilien, die gepackt werden wollten.

"Sie hat dich rausgeworfen? Kaum zu glauben." sprach der schwarzhaarige Jüngling der auf dem gegenüberliegenden Bett im Schneidersitz sass.

"Aber wahr, mein lieber Bosper, aber wahr." sprach Barnabas als er gerade versuchte seinen Leytfaden neben dem Holzteller vorbeizuzwängen.

Der junge Bosper fummelte an den Zöpfchen seiner Elevenrobe rum. Dann schaute er wieder zu Barnabas auf. "Ist es war, was man über den Vorfall in der 'Nachtklause' erzählt?" fragte
er verstohlen.

Barnabas hielt inne und schaute auf. "Weisst du Bosper, die Warheit ist nur ein Teil der Gleichung. Gerade ebenso wichtig ist der Blinkwinkel aus welchem sie betrachtet wird und derjenige von Spektabilität Ruane von Elenvina deckt sich nun eben gar nicht mit meinem."

Bosper sprang auf und seufzte. "Ich werde dich vermissen Barnabas....und es wird wohl von nun an ein langweiliges Leben für mich sein."

"Dummes Zeug! Nun wirst du dich endlich auf dein Studium konzentrieren können!" sagte Barnabas grinsend. "Und wenn du deine Examinatio durch hast kommst du mich in Lowangen besuchen!"

Der warme Sommerwind bläst Barnabas ins Gesicht. Der junge Magier schliesst für einen Augenblick die Augen. So weit von zu Hause weg. So schlecht fühlt sich das Reisen bis jetzt gar nicht an. Solange man am Abend immer ein weiches Bett und eine gute Mahlzeit vorfindet versteht sich. Er öffnet die Augen wieder und lächelt. "Barnabas Bertenschlag, reisender Adept" sagt er zu sich selber "Das klingt doch recht famos!".

Barnabas dreht sich um und sieht die Ruderer. Zwölf Männer und zwei Frauen mühen sich nun schon einen ganzen Tag ab um die 'Ferdoker Freiheit' voranzutreiben. So heisst das Lastenschiff, das auf dem Grossen Fluss von Elenvina nach Ferdok unterwegs ist. Links und rechts auf den Treidelpfaden ziehen zwei Ochsengespanne das Schiff flussaufwärts.

Barnabas ist froh, das er sich einen Passagierschein leisten konnte und nicht anheuern musste. Solch körperliche Anstrengung sollte wann immer möglich vermieden werden. Besitzt man den nötigen Verstand so glingt das auch meistens.

"So Männer! Jetzt legt euch mal ein wenig in die Riemen, bei Swafnir! Bei diesem Tempo überholt uns ein einarmiger Flusspirat, das wohl!" rollt die tiefe Stimme des Kapitäns vom Steuerstand über das Deck. Laske Orgensson aus Prem. Ein wahrer Hühne, aber welcher Thorwaler ist das nicht. Neben Barnabas hat es noch zwei weitere Passagiere. Eine junges Mädchen in Begleitung ihres Vaters. Die beiden waren in Elenvina bereits an Bord. Die missbilligenden Blicke des Mannes in Barnabas Richtung verhärten den Verdacht des Magiers, dass diese Leute aus Havena kommen. In dieser Küstenstadt geniessen Magier ein zweifelhaftes Ansehen.

Viel zu lange! Wie konnte Barnabas nur die Zeit so vergessen. Sicher, einen grossen Teil der Schuld konnte man zweifellos auf das Ferdoker Helle schieben. Das Bier ist einfach zu gut und es bedurfte eines intensiven Studiums um den Gerstensaft entsprechend zu würdigen! Auch die Zuckerbäcker in Ferdok waren zahlreich. Es wäre unfair gewesen nur einen davon zu berücksichtigen. Das alles braucht eben Zeit.

Nun hat der Adept seine Reise fortgesetzt. Gemütlich sitzt Barnabas auf einem Planwagen der grossen Karawane und knabbert an einer Zuckerstange. In seinem Rucksack befindet sich so viel Ferdoker und Gebäck wie er reinstopfen konnte.